Die Raunächte – eine magische Zeit

In einer Zeit, in der das elektrische Licht noch nicht erfunden war, es keine Zentralheizungen gab, Begriffe wie „Fernsehen“, „Radio“, „Computer“ oder „Smartphone“ noch nicht einmal existierten und der Großteil der Menschen auf Höfen zusammen in kleineren Dorfgemeinschaften lebten, da gab es in den kalten Wintermonaten meist nur wenig zu tun. Die Arbeit auf den Feldern musste ruhen.

Während kalte Winde um die Häuser fegten, Schnee und Eis die Felder bedeckten und die Menschen schreckerfüllt vom Treiben der Dämonen und Geister gewissermaßen auf ihren Höfen festsaßen, da suchten sie oft nur noch Zuflucht in der warmen Stube.

Aus Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit fanden sich die Menschen an den besonders dunklen Tagen im Jahr dann um das knisternde Kaminfeuer zusammen. Man lauschte geheimnisvollen Geschichten und nutze die Zeit in besinnlicher Weise für Handarbeiten und zum Musizieren, mit Gebeten und Ritualen.

Vor allem die Zeit zwischen den Jahren war in vielen Regionen etwas ganz Besonderes. Zu keiner anderen Zeit im Jahr ist es so still und dunkel wie in diesen Tagen. Die Kräfte ziehen sich aus der Natur zurück, das Aktive weicht dem Passiven und das Licht der Dunkelheit.

In dieser Zeit des Jahres können am Sternenhimmel die interessantesten Lichtphänomene beobachtet werden. Nach außen hin scheint es, als wäre die Welt der Tiere und Pflanzen zur Ruhe gekommen, als würden Bäume und Sträucher, Büsche und Gräser in sich selbst zurückgezogen schlummern, während die Tiere ihren Winterschlaf halten. Das Sonnenlicht bekommt derweil einen ganz besonderen, goldenen Glanz und glaubt man alten Sagen, so ist es jetzt an der Zeit, die Weichen für die Zukunft zu stellen, Kontakt zur Welt der Ahnen, Geister und anderen Naturwesen aufzunehmen und auf sprechende Tiere zu stoßen.

Die Niemandszeit

Raunächte, die „Zwölften“ oder auch „Wolfsnächte“ wird die Zeit um Weihnachten und Neujahr traditionell genannt. Dabei handelt es sich um die Nächte zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige. Wer während dieser „Niemandszeit“ die Zeichen in der Natur richtig deuten kann, der kann daraus durchaus wichtige Erkenntnisse für das neue Jahr gewinnen, so heißt es.

Es sind die ganz universellen Themen, die die Menschen früher in den Raunächten umtrieben und denen sie mit diversen Ritualen und Bräuchen begegneten, um mögliche Antworten auf all die vielen Fragen zu finden. Es sind Fragen wie: was bedeutet es, auf der Welt zu sein? Was ist der Sinn des Lebens? Und gibt es womöglich noch mehr als nur das für unsere Augen Sichtbare?

Brauchtum und Tradition

Die Traditionen und das Brauchtum der Raunächte sind ein Weg, wie sich die Menschen unserer Kultur mit diesen tiefgreifenden Fragen auseinandersetzten. Gleichzeitig stammen die meisten Sagen und Bräuche aus einer Zeit, in der die Menschen aber auch noch an die Wiederkehr verstorbener Seelen glaubten und daran, dass Geistwesen wie Hexen, Gespenster, Werwölfe sowie viele andere Naturgeister erscheinen könnten. Sie zeugen demnach also auch von dem tiefen Wunsch der Menschen, innere Ängste besiegen und Dämonen besänftigen zu können oder schützende, gute Geister wie Hausgeister oder die Seelen von Verstorbenen gütig zu stimmen.

Die Raunächte haben eine tiefe Symbolkraft und basieren auf unterschiedlichsten spirituellen Erfahrungen unserer Vorfahren, die wir mit unserem heutigen Verständnis und modernen Weltbild oft gar nicht mehr so einfach ergründen oder nachvollziehen können. In jedem Fall sind sie meist mehr als nur der Ausdruck altertümlichen Aberglaubens.

Vielerorts war es strengstens verboten in der Zeit der Rauhnächte Wäsche im Freien aufzuhängen, Karten zu spielen oder Unordnung im Haus zu verbreiten. Räume und Ställe wurden mit Weihrauch und anderen duftenden Substanzen ausgeräuchert, Ahnentische wurden aufgestellt und erinnerten oft – mit Zweigen, Kräutern, Kristallen und einer brennenden Kerze geschmückt – an die verstorbenen Angehörigen.

Heute muss sich niemand mehr in eine warme Bauernstube flüchten. Mittlerweile haben wir zu jeder Zeit die Möglichkeit, die Heizung aufzudrehen, wenn uns kalt wird. Wenn es dunkel wird betätigen wir einfach den Lichtschalter und Klack, schon sitzen wir im Hellen.

Was ist inzwischen aus all den Ritualen und Bräuchen geworden? Eigentlich scheinen wir sie bei all dem äußeren Komfort ja überhaupt nicht mehr zu brauchen, sind wir doch heutzutage alle erlöst von den Sorgen und Nöten, denen unsere Vorfahren einst unterlegen waren.

Oder?

Ich bin mir nicht ganz sicher. Was ist mit der Sehnsucht nach Stille, nach Besinnung und was mit der Zeit nach Ruhe und Geborgenheit?

Wenn es in der Advents- und Weihnachtszeit – abseits des wahnsinnigen Trubels in den Kaufhäusern oder auf den Weihnachtsmärkten – zunehmend stiller wird und sich ein festliches, nahezu magisches Gefühl im Raum ausbreitet, dann wird dies doch auch heute noch von den meisten Menschen als überaus wohltuend und wertvoll empfunden.

In einer Zeit, in der es schnelllebiger zu geht denn je, wenn die Zeit nur so dahin rast und sich Schokoladennikoläuse bereits in den Geschäftsregalen türmen während wir draußen noch bei sommerlichen Temperaturen unterwegs sind, da denken viele von uns nur mit Schrecken an den bevorstehenden Weihnachtsstress, an all die Arbeit, die Geschenke, die es noch zu besorgen gilt und all die diversen Feierlichkeiten, die es zu planen und organisieren gibt.

Gleichzeitig spüren wir aber auch, dass unser Leben eigentlich viel mehr sein sollte als das bloße Abarbeiten einer unendlich lang erscheinenden Aufgabenliste. Ganz offensichtlich wächst in uns Menschen eine Sehnsucht nach Ruhe, nach Besinnung und Stille.

In einer Zeit von Fernsehen, Radio und Internet haben wir uns schlicht und einfach von der Natur und dem Rhythmus der Jahreszeiten entfernt. Der tiefe Sinn verschiedenster Rituale scheint uns verloren gegangen zu sein. Aber besinnen wir uns doch wieder einmal auf unser traditionelles Wissen und die über Generationen hinweg weitergegebenen Weisheiten unserer Kultur. Begleitet durch die besondere Stimmung, die uns die Natur vorgibt, können auch wir die magische Anziehungskraft der Rauhnächte sicherlich wieder spüren lernen.

Begleitet vom festlichen Gefühl gibt uns das Weihnachtsfest jeden Anlass dazu, uns Zeit zu nehmen für das, was unter dem Jahr zu kurz kommt, was aber mindestens genauso wichtig ist: zur Ruhe zu kommen, Zeit für uns zu finden, Vergangenes Revue passieren zu lassen…einfach mal nix zu tun, die Seele baumeln zu lassen und der eigenen Fantasie freien Lauf zu lassen.

Fröhliche Weihnachten und mit den besten Wünschen für das neue Jahr!

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