nun kommt die gute Mutter nacht

Wie Rituale die Weihnachtszeit bereichern

Besonders für Kinder ist die Weihnachtszeit eine sehr magische Zeit. Da werden Kerzen angezündet, Lieder gesungen und leckere Plätzchen gebacken. Es wird gebastelt, es werden Geschichten erzählt oder vorgelesen und in der Luft liegt der herrliche Duft von frischem Reisig, von Zimt und Nelken.

Dahingegen ist diese Zeit für viele Erwachsene zunehmend mit Stress verbunden. Grund dafür sind hektische Weihnachtseinkäufe in überfüllten Läden, schrill aus den Boxen tönende Weihnachtslieder und diverse Adventsfeiern auf der Arbeit oder mit Freunden, sodass kaum mehr Zeit zur Besinnung bleibt. Der Lichterglanz in den Straßen, Vorgärten und Kaufhäusern ist lediglich ein äußeres Bild, das den religiösen Inhalt des Weihnachtsfestes zunehmend für kommerzielle Zwecke überlagert. Wie im Wahn und gefangen im Weihnachtsrummel, rauscht die Zeit nur so vorbei und am Ende steht man da und fragt sich frustriert, wie man diese doch eigentlich so heilige Zeit im folgenden Jahr besinnlicher gestalten kann. 

Wohin ist nur die Magie verschwunden, mit der man als Kind die Weihnachtszeit empfunden hat? Die geistige Herkunft, das Bewusstsein des göttlichen Ursprungs, scheint – anders als beim Kind – bei vielen Erwachsenen verschwunden, nicht mehr spürbar zu sein. Für sie ist nur ein äußeres Bild vom Weihnachtsfest übrig geblieben, dessen Motive sich in der Darstellung von Krippen und Weihnachtsliedern äußern.  

Eine sinnvolle Gestaltung zu finden, ist vor allem in einer so schnelllebigen Zeit wie heute nicht gerade leicht. Nicht selten fragen sich deshalb insbesondere junge Eltern, wie sie den kommerziellen Interessen entfliehen und wieder mehr zu den altehrwürdigen Traditionen und Bräuchen zurückfinden können, die heute so klischeehaft geworden zu sein scheinen. Es stellen sich Fragen wie “wie wollen wir Weihnachten feiern?”, “welche Haltung haben wir selbst zum Weihnachtsfest?” und “was möchten wir unseren Kindern mitgeben?” ohne dass die Tage im Streit enden oder durch steife Konventionen zunichte gemacht werden. Durch die Beobachtung von Kindern lässt sich das Bewusstsein für diese besondere und anmutige Zeit auch für Erwachsene wieder zurück erlangen.

Es sind Fähigkeiten wie Staunen, Freude und Vertrauen, die ein kleines Kind von Natur aus mit auf diese Welt bringt. Es ist die Fähigkeit, Wahrhaftigkeit, Ehrfurcht und tiefe Dankbarkeit zu empfinden. Ein kleines Kind staunt über die brennenden Kerzen, die auf dem Adventskranz stecken und Licht in die Dunkelheit eines tristen Dezember-nachmittags bringen. Es staunt wenn der erste Schnee vom Himmel fällt oder der erste Stern am Himmel erwacht. Was die Weihnachtszeit angeht, so erahnen Kinder, dass eine andere Zeit bevorsteht. Eine Zeit, die etwas Besonderes mit sich bringt. Diese Zeit erscheint umso zauberhafter, je besinnlicher sie von den Erwachsenen gestaltet wird. Dabei spielen Rituale eine große Rolle, deren Inhalt und Form von den Erwachsenen vorgegeben werden müssen. 

Die Weihnachtsgeschichte

Ob religiös oder nicht – für Kinder ist die Weihnachtsgeschichte in erster Linie eine Geschichte, die von der Geburt eines kleinen Kindes erzählt. Diese Geschichte kann auf unterschiedlichste Art und Weise ausgelegt werden. Sie kann vorgelesen oder erzählt werden, es kann über sie gesprochen werden oder sie kann nachgespielt werden. Es besteht eine Vielzahl an Möglichkeiten, dieser Geschichte mit kleinen Ritualen einen angemessenen Rahmen zu geben und somit auf das Weihnachtsfest vorzubereiten. Entscheidend ist ein Brauch, der sinnvoll erscheint und von Wahrhaftigkeit getragen wird. Es spielt im Endeffekt keine Rolle, wie viele Geschenke unter dem Weihnachtsbaum liegen, wie groß diese Geschenke sind und wie teuer sie waren. Auch der Adventskalender muss nicht unbedingt mit Geschenken bestückt sein. Bilder mit wiedererkennbaren Motiven sind für Kinder mindestens genauso bereichernd. Sie werden ihnen mit Sicherheit mindestens genauso viel Freude beim Öffnen der kleinen Türchen bescheren und die Augen zum Leuchten bringen wie ein mit diversen Gegenständen gefüllter Adventskalender. Heute leben wir sowieso schon in einer Zeit des Überflusses und einer damit einhergehenden permanenten Reizüberflutung. Offensichtlich fällt es uns dadurch zunehmend schwerer, zum Ursprünglichen zurückzufinden und etwas auf sein Wesentliches zu reduzieren. 

Der Überfluss überfordert uns. Die permanente Reizüberflutung stumpft uns ab und blockiert unsere sinnlichen Erfahrungen. Sie betäubt unsere Sinne und raubt uns somit die Fähigkeit, den Zauber besonderer Zeiten wahrzunehmen. Letztlich geht es nicht um die Frage, was wir den Kindern vorenthalten, wenn wir uns auf das Wesentliche der Advents- und Weihnachtszeit besinnen, sondern um die Frage, was wir den Kindern mitgeben können an Sinnhaftem, damit sie ihre Fähigkeiten des Staunens und des Empfindens von Freude, Dankbarkeit und Ehrfurcht bewahren können und ihnen die Magie der besonderen Zeiten nicht verloren geht. 

Rituale im Waldorfkindergarten

In der Waldorfpädagogik gibt es jährlich wiederkehrende Rituale, die auf wunderbare Weise in die Adventszeit einstimmen und auf das große Fest vorbereiten. Durch eine gemeinsam mit den Kindern bewusste Auseinandersetzung mit den Jahreszeiten und den Festen, haben auch Erwachsene die Möglichkeit, zu staunen, sich zu erfreuen und Dankbarkeit zu empfinden. Dann hält diese besondere Zeit auch wieder das wundervolle Gefühl von Magie und Zauber bereit. Eine wohlüberlegte und sparsame Gestaltung vermittelt den tiefen Sinn eines Festes. Die sinnlichen Eindrücke sind Nahrung für die Seele. Sie sind es, die den Schatz der Kindheit ausmachen und den jungen Menschen für sein bevorstehendes Leben prägen. Sinnliche Eindrücke erlauben es dem Menschen, sich im irdischen Zeitgefüge und in dem ihn umgebenden Kulturkreis zu beheimaten und helfen ihm, eine Grundsicherheit im Leben aufzubauen. Je mehr ein Kind in Rituale und jährlich wiederkehrende Traditionen eingebunden wird, die auf Feste wie das Weihnachtsfest einstimmen, desto magischer wird es diese Zeit empfinden, auch wenn er irgendwann zum erwachsenen Menschen herangereift ist. 

 

 

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