Wer Pädagogik in sich aufnehmen will, der schreibe sich vor diese Pädagogik als Motto: Durchdringe dich mit Phantasiefähigkeit, habe den Mut zur Wahrheit, schärfe dein Gefühl für seelische Verantwortlichkeit.
Rudolf Steiner
Waldorfkindergarten – was ist das?
- Waldorfkindergärten arbeiten auf der Grundlage der von Rudolf Steiner entwickelten Waldorfpädagogik.
- Waldorfkindergärten sind meist gemeinnützig eingetragene Vereine in Form einer Elterninitiative.
- Der erste Waldorfkindergarten wurde 1926 in Stuttgart eröffnet.
- Wichtige Grundlagen des Konzepts eines Waldorfkindergarten sind Rhythmus, das freie Spiel, Vorbild und Nachahmung, gesunde Ernährung und die Pflege der unteren Sinne sowie Fantasiefähigkeit des Kindes.
- Wichtige Elemente im Waldorfkindergarten sind die gemeinsam zubereiteten Mahlzeiten, das Freispiel, der Reigen, der Jahreszeitentisch, das Feiern der Jahresfeste, Vorschularbeit, Eurythmie, Aquarellmalerei, Basteln und Handwerken.
Die Geschichte des Waldorfkindergartens
Nach einer vorübergehenden Gründung eines Kindergartens auf Grundlage der Waldorfpädagogik im Jahre 1920 wurde zu Ostern 1926 durch Elisabeth von Grunelius und Herbert Hahn der eigentlich erste Waldorfkindergarten auf dem Areal der Waldorfschule Stuttgart eröffnet. Bis zum Verbot dieser anthroposophischen Einrichtungen durch das Nazi-Regime entstanden in ganz Deutschland Waldorfkindergärten.
Nach dem 2. Weltkrieg konnten in der BRD wieder Waldorfkindergärten entstehen, im Osten Deutschlands war dies erst nach der Wiedervereinigung möglich. Inzwischen gibt es in Deutschland über 500 und weltweit um die 2.000 Waldorfkindergärten.
Die Vereinigung der Waldorfkindergärten, gegründet im Oktober 1969, ist ein Zusammenschluss aller Waldorfkindergärten, um in einem unterstützenden Miteinander arbeiten zu können. Hier findet ihr auch weiterführende Informationen zum Waldorfkindergarten.
Was macht die Waldorfpädagogik aus?
Das Kind in Ehrfurcht empfangen, in Liebe erziehen und in Freiheit entlassen.
Rudolf Steiner
Rudolf Steiner (1861 – 1925) ist der Begründer der Anthroposophie. Auf ihrer Grundlage entwickelte er eine Reformpädagogik. Nach Anfrage des Unternehmers Emil Molt gründete Rudolf Steiner auf Grundlage dieser Pädagogik 1919 in Stuttgart eine Schule für die Kinder der Arbeiter/innen der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik. Die erste Waldorfschule!
In diesem Zusammenhang sprach Rudolf Steiner auch über die Notwendigkeit, eine „Art Kleinkinderschule“ für jüngere Kinder einzurichten. So entstand der Impuls für die Gründung eines Waldorfkindergartens.
Beim Menschenbild der Anthroposophie gliedert sich der Mensch in Leib, Seele und Geist. An dieser Dreigliederung des Menschen, sowie an den Gedanken von Reinkarnation und Karma orientiert sich die Waldorfpädagogik neben den klassischen pädagogischen Grundlagen für ihre praktische Umsetzung.
Vor allem im Zusammenhang mit der Erweiterung des pädagogischen Angebots für Kinder unter drei Jahren wird im Waldorfkindergarten verstärkt die Pädagogik Emmi Piklers mit einbezogen. Die ungarische Kinderärztin Emmi Pikler (1902 – 1984) entwickelte eine Kleinkindpädagogik, die Säuglinge und Kleinkinder ganzheitlich anschaut und ihre Schwerpunkte vor allem auf die beziehungsvolle Pflege, das freie Spiel und die autonome Bewegungsentwicklung legt.
Das Konzept der Waldorfkindergärten
Wie schon erwähnt, ist die Grundlage der pädagogischen Arbeit in jedem Waldorfkindergarten die Menschenkunde Rudolf Steiners. Darauf bauen die Kernelemente des pädagogischen Alltages auf:
- ganzheitliche Wahrnehmung des Kindes
- enge Zusammenarbeit mit den Elternhäusern und Familien
- Prinzip von Vorbild und Nachahmung
- Pflege des kindlichen Spiels
- Pflege und Förderungen der sogenannten unteren Sinne
- Pflege des ästhetischen Empfindens
- Pflege guter Gewohnheiten
- feste Rhythmen im Tages-, Wochen- und Jahreslauf
- starker Bezug zu den Jahreszeiten
- natürliche Spielmaterialien
- gesunde Nahrungsmittel
Natürlich ist es, wie überall, abhängig vom einzelnen Menschen, von dem/der Erzieher/in, wie dieses Konzept in den Alltag gebracht wird. Rudolf Steiner fordert in diesem Zusammenhang die Erziehenden auf, „heitere Mienen (…) und vor allem redliche, keine erzwungene Liebe“ als Grundlage für alles Tun zu haben. Die Selbsterziehung der Erziehenden spielt in diesem Zusammenhang ein große Rolle. Doch dazu weiter unten mehr…
Was versteht man unter Waldorfpädagogik im Kindergarten?
Die Erziehung in einem Waldorf-Kindergarten ist überall bemüht zu vermeiden, in die freie natürliche Entfaltung des kindlichen Wesens einzugreifen und es aus dem Gleichgewicht seiner noch traumhaften Bewußtseinshaltung herauszureißen; andererseits überläßt sie das Kind nicht sich selbst, sondern gibt eine Führung, ja eine sorgfältige Führung, aber mit den rechten Mitteln von Vorleben und Nachahmung.
Elisabeth von Grunelius
Im Alltag im Waldorfkindergarten kann das Kind Hülle und Geborgenheit erfahren. Grundlagen dafür sind die Sicherheit vermittelnden Rhythmen im Tages-, Wochen- und Jahresablauf, die enge Zusammenarbeit mit den Elternhäusern und die liebevolle Beziehungsarbeit der Erzieher/innen mit den Kindern.
Den Kindern wird der Freiraum ermöglicht, sich spielend und selbstständig in die Welt zu stellen und sich mit ihr zu verbinden.
Die Erwachsenen geben durch ihre sinnstiftenden Tätigkeiten Anregungen für die sogenannten Urtätigkeiten des Menschen: Handarbeit und Handwerk. Durch die Lebendigkeit und Vielfältigkeit kann der Kindergarten zu einem anregenden Lernfeld für das Kind werden.
Der Raum ist so eingerichtet, dass er anregend und nicht reizüberflutend auf die Kinder wirkt. Dies gilt auch für die Spielmaterialien. Diese ermöglichen dem Kind vielfältige Sinneseindrücke und regen es somit nicht nur über den Verstand, sondern auch über Körper und Gemüt an. Es findet sich vor allem Spielzeug aus natürlichen Materialien im Waldorfkindergarten. Diese lassen sich fantasiereich für immer wieder neue Spieltätigkeiten nutzen.
Spielmaterialien im Waldorfkindergarten
- Tücher aus Baumwolle, Seide und Wolle
- Bretter und Stöcke
- Holzbausteine
- Kastanien, Muscheln, Eicheln, Steine, Tannenzapfen usw.
- Tiere und Menschen aus Filz, Wolle oder Holz
- Spielständer für Kaufmannsladen, Puppenstube oder zum Höhlenbau
- eine Spielküche
- die sogenannten Waldorfpuppen
- eine Werkbank mit Werkzeugen
- Bastelmaterialien
- Handarbeitsmaterialien
- alles zum Malen und Knete
Auf der Seite Waldorf-Ideen Pool findet ihr weiterführende Informationen zur praktischen Arbeit im Waldorfkindergarten.
Waldorferzieher/in
Die Arbeit des/der Waldorferzieher/in findet in der unmittelbaren Begegnung des erwachsenen Menschen mit dem Kind statt. Dies bedeutet, dass Waldorferzieher/innen einen sehr bewussten Umgang mit sich selbst pflegen und sich von Vorurteilen und Meinungen über Menschen frei machen sollten. Das Kind nimmt alles um sich her unmittelbar wahr, so auch die Erwachsenen, die es umgeben. Um dem Kind wirklich als Gegenüber und auch als Vorbild dienen zu können, ist die eigene Weiterentwicklung der Pädagogen unerlässlich.
Kernpunkt des Waldorfkindergartens ist natürlich die ‚Arbeit‘ mit den Kindern, gefolgt von der ‚Arbeit‘ mit den Familien. Weiterer Schwerpunkt ist aber auch die Arbeit der Pädagogen im Team und der Bezug zur ‚Waldorf-Welt‘.
Wenn wir die Kinder zur Freiheit erziehen wollen, braucht es auch Menschen und Einrichtungen, die in Freiheit handeln können. Daher ist der Waldorfkindergarten auch keine staatliche oder kirchliche Einrichtung. Neben der Waldorfpädagogik sind so auch die Gedanken zur Sozialen Dreigliederung sehr relevant für die Arbeit im Waldorfkindergarten.
In kommenden Beiträgen werden wir dann noch intensiver auf die einzelnen Grundelemente des Waldorfkindergartens eingehen.
Welche Erfahrung habt ihr mit dem Waldorfkindergarten? Welche Fragen habt ihr rund um das Thema? Schreibt uns gern dazu in den Kommentaren!
Liebe Grüße aus dem Waldorfshop!
3 Gedanken zu „Der Waldorfkindergarten“