Medienbildung | Waldorfshop

Gastbeitrag: Medienbildung im Waldorfkindergarten

Waldorfshop arbeitet eng mit Pädagog:innen und Lehrkräften zusammen. In diesem Beitrag teilt Sophie Berke, Dozentin für Medienpädagogik, Teamarbeit und Organisationsstrukturen an der Freien Fachschule für Sozialpädagogik Berlin, ihre Gedanken zum Thema Medienbildung im Waldorfkindergarten.

Wo fangen wir an?

Haben Sie schon mal Ihre eigene Handynutzung aufgezeichnet?
Heute erleben manche von uns Erwachsenen das Dilemma, dass die digitalen Medien Teil unseres Lebens sind (wir arbeiten damit, kommunizieren darüber, wir nutzen sie sogar für sinnvolle Dinge und eignen uns darüber Wissen an) und gleichzeitig wissen wir aber, dass besonders digitale Medien nicht gesund für uns sind. Wie schaffen wir es also, einen gesunden Umgang mit Medien in unserem Alltag zu finden und zu erhalten und wie schaffen wir das für unsere Kinder? Der erste Schritt der Medienbildung von Kindern beginnt bei der Reflexion der eigenen Medienbiografie und der Mediennutzung der erwachsenen Bezugspersonen, also der Eltern und der pädagogischen Fachkräfte.

Im Leben der Kinder sind analoge Medien wie Bücher zum Beispiel Übergangsobjekt bei Ritualen im Tagesablauf (z.B. zur Schlafenszeit), sie veranschaulichen die Realität, sie regulieren Stimmungen oder unterhalten einfach nur. Bildschirmmedien werden hauptsächlich zur Unterhaltung eingesetzt und manchmal auch aus der Not heraus als Babysitter. Die Corona-Pandemie hat dazu ihren Teil beigetragen und in manchen Haushalten sind aus der Not, Home-Office und Kinderbetreuung parallel zu managen auch Fernseh-Gewohnheiten von Kindern geworden, die ihnen nicht zwangsläufig gut tun. Dies beobachten PädagogInnen vermehrt in Freispielsituationen, in denen Kinder ihre Medienerlebnisse verarbeiten. Denn hilfreich für die Entwicklung von Kindern sind Bildschirmmedien nicht. Im Gegenteil, der aktuelle Wissenstand zeigt auf, dass der (von Eltern) unreflektierte Einsatz digitaler Medien der körperlichen, emotionalen, geistigen und sozialen Entwicklung der Kinder schadet.


Wir können den Begriff „Medien“ jedoch nicht nur mit „analog“ und „digital“ füllen. Im weiteren Sinn gehören zu Medien unter anderem auch die Sprache, das Blatt Papier, der Stift oder der Pinsel, weil sie Ausdrucksmittel von Kindern sind. Wenn wir über Medienbildung sprechen, ist es also wichtig, deutlich zu machen, welche Medien genau gemeint sind.


Klar ist, dass die Verantwortung für eine ausgeglichene und altersgemäße Mediennutzung der Kinder bei ihren Eltern liegt. Medienbalance kann also nicht heißen, dass Kinder zu Hause den Risiken digitaler Medien ausgesetzt werden können, weil sie in der Kita den Schonraum ohne digitale Medien erleben, der für sie gesundheitsfördernd ist. Die Medienbalance betrifft alle Aktivitäten der Kinder (ohne und mit sämtlichen Medien) und auch die Aktivitäten mit und ohne Medien der Eltern, die die Kinder miterleben. Wenn Kinder sehen, dass ihre Eltern bewusst und sorgsam mit ihrer eigenen Mediennutzung umgehen, wird bereits eine gute Grundlage für die Medienbildung geschaffen.

Medienbildung im Waldorfkindergarten

Im pädagogischen Kontext Kita liegt die Verantwortung der Medienbildung bei den Erzieherinnen und Erziehern. Hier gilt es für viele waldorfpädagogischen Einrichtungen: Hausaufgaben machen. Der medienpädagogische Ansatz der Einrichtung muss im Kollegium so weit besprochen werden, dass ihn alle mittragen können. Es geht hier vor Allem um ein Bewusstwerden der in der Waldorfpädagogik bereits verankerten Instrumente der Medienbildung. Eventuell gibt es dazu Weiterbildungsbedarf im Team. Und nicht zuletzt muss der Teil „Medienpädagogik“ im pädagogischen Konzept überarbeitet, aktualisiert werden und das im besten Fall auch durch eine Zusammenarbeit mit den Eltern.

Ein Beispiel nehmen kann man sich an den Waldorfschulen, die sich an die Überarbeitung ihres Medienkonzepts gewagt haben. Die Waldorfschule Berlin-Kreuzberg und die Waldorfschule Potsdam sind hier gute Beispiele. Aus ihren Konzepten können wir für den Kindergarten ableiten, was unser Auftrag in der Medienbildung ist und wie wir die Kinder so gut wie möglich auf die Medienbildung an der Schule vorbereiten können.

Besonders wichtig ist an dieser Stelle die Zusammenarbeit mit den Eltern: Regelmäßige Elternabende zum Thema Medien sind ein großer Teil dieser Vorbereitung, wie auch die Begleitung der Eltern zu dem Thema in Entwicklungsgesprächen. Eine wichtige Voraussetzung dafür: WaldorfpädagogInnen sind aufgefordert, sich der Lebensrealität vieler Kinder zu stellen und zu akzeptieren, dass die elektronischen und digitalen Medien in manchen Haushalten bereits einen festen Platz im Alltag der Kinder haben. Diese Realität fordert auch, dass wir den Eltern gegenüber eine wohlwollende und nicht beurteilende Haltung einnehmen, so dass die gemeinsamen Gespräche zum Wohle des Kindes so ehrlich und offen ablaufen, wie möglich.

So können WaldorfpädagogInnen im Sinne Rudolf Steiners auch Zeitgenossin und Zeitgenosse sein, die ein echtes Interesse zeigen und Initiative ergreifen.

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Literaturempfehlungen zur Medienpädagogik

  • Bleckmann, Paula (2012): Medienmündig. Wie unsere Kinder selbstbestimmt mit dem Bildschirm umgehen lernen. Stuttgart
  • Bleckmann, Paula (2017): Medienmündig statt Mediensüchtig. In: Erziehungskunst, April 2017.
  • Bleckmann, Paula/Leipner, Ingo (2018): Heute mal bildschirmfrei. München
  • Buermann, Uwe (2008): Aufrecht durch die Medien, Flensburger Hefte
  • Bund der Freien Waldorfschulen (2019): Medienpädagogik an Waldorfschulen. Stuttgart
  • diagnose:media (2019): Gesund aufwachsen in der digitalen Medienwelt. Eine Orientierungshilfe für Eltern und alle, die Kinder und Jugendliche begleiten. Stuttgart
  • Hübner, Edwin (2015): Medien und Pädagogik. Gesichtspunkte zum Verständnis der Medien, Grundlagen einer anthroposophisch-anthropologischen Medienpädagogik. Stuttgart
  • Markowetz, Alexander (2015): Digitaler Burnout. Droemer Knaur
  • Mylow, Daniel (2020): Kein DigitalPakt. In: Erziehungskunst Januar/Februar
  • Neider, Andreas (2008): Medienbalance. Erziehen im Gleichgewicht mit der Medienwelt. Ein Elternratgeber. Stuttgart
  • Rudolf, Christoph (2019): Was macht das Smartphone in der Hosentasche? In: Erziehungskunst 11/2019, S. 52ff.
  • Stellungnahme der Kinderkommission des Deutschen Bundestages zum Thema
  • „Kindeswohl und digitalisierte Gesellschaft: Chancen wahrnehmen – Risiken bannen“ Kommissionsdrucksache 19. Wahlperiode 19/05 26. Juni 2019
  • Struwwelpeter 2.0. Medienmündigkeit und Waldorfpädagogik. Bund der Freien Waldorfschulen. Hamburg 2017
  • Struwwelpeter 2.1. Ein Leitfaden für Eltern durch den Medien-Dschungel. Bund der Freien Waldorfschulen Stuttgart 2017
  • VDW-Positionspapier zur Jahrestagung 2019. Ambivalenzen des Digitalen. Mensch und Technik zwischen neuen Möglichtkeits(t)räumen und (un)bemerkbaren Verlusten.
  • Hg.: Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V.

Online-Quellen und Studien

  • ECHT DABEI: Präventionsprogramm für Kindergarten- und Grundschulkinder.
    Gesund groß werden im digitalen Zeitalter. www.echt-dabei.de
  • Der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen:
    https://www.drogenbeauftragte.de/presse/detail/tobias-krell-erklaert-mediensucht/
  • Diagnose: Media: https://www.diagnose-media.org/
  • BLIKK Studie 2017: Übermäßiger Medienkonsum gefährdet Gesundheit von Kindern und
    Jugendlichen. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Berlin, 29.05.2017
  • Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Netz: DIVSI U25-Studie, Euphorie war
    gestern, www.divsi.de
  • Schau Hin: https://www.schau-hin.info/studien/studien-zur-mediennutzung/
  • MünDig-Studie Waldorf: Ergebnisbericht-Waldorf.pdf (muendig-studie.de)

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