Zuhause sein

Die Waldorfschule, das Waldorfsystem, ist für mich so viel mehr als eine Schule. Es ist für mich ein Ort, an dem ich mich immer, trotz gelegentlichem Stress, geborgen fühle, ein schützender Raum, es ist ein Zuhause. Das mag für den einen oder anderen albern klingen. Aber es ist die Wahrheit. Wenn ich an meine Schule denke, rieche ich den Duft von Lavendel, frischem Holz und Wachsmalkreiden, ich sehe bunte Farben auf Papier und wunderschöne, selbst erstellte Hefte und Bücher und ich höre lachende Kinder und ein manchmal leicht schiefes Flötenspiel. Wenn ich an meine Schule denke, kann ich nicht anders als lächeln. Die Vielfalt, die Waldorf bietet, ist absolut einmalig.

(aus der Rede der Schülerin Sophia Meiners, 12. Klasse Rudolf-Steiner-Schule Nürnberg, anlässlich des Festaktes der bayerischen Waldorfschulen zu Waldorf 100)

Werden die Tage kürzer, dunkler und kälter, dann suchen wir Wärme und Geborgenheit in unserem Zuhause. Dabei ist das, was wir Zuhause nennen wohl so vielfältig wie die Menschen selbst. Die oben zitierte Schülerin erlebte ihre Schule als ein Zuhause, welches all ihre Sinne erfüllte. Julika aus unserem Team beschreibt im aktuellen Newsletter ihr Zuhause zur Herbstzeit: „Es wird nun täglich kälter und wir genießen es, wieder drinnen im Warmen zu sein. Sobald es draußen ungemütlich wird, der Wind um die Ecken pfeift und der Regen gegen die Fensterscheiben trommelt, sitzen wir gern in unserer kleinen Küche rund um den Tisch und basteln, malen und nähen.“ Zuhause, Heimat erscheint hier als ein Raum, der Geborgenheit und Sicherheit gibt.

Heimat im Außen und Heimat im Innern

Das Wort „Heimat“ taucht meist verbunden mit einer emotionale Bindung zwischen Mensch, Raum und Ort auf. Die Gebrüder Grimm benannten in ihrem Wörterbuch „Heimat“ als „das land oder auch nur der landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden aufenthalt hat„.

Es scheint mir, dass es in früheren Jahrhunderten, als das Leben der Menschen stark durch Tradition bestimmt war, ein verbindlicheres Gefühl von Heimat und Zuhause gab. In unseren Breitengraden und in dieser Zeit steht vielen Menschen die ganze Welt offen. Die Ferne ruft mit Abenteuer und dem Versprechen auf Einzigartigkeit, Glück und Erfüllung. Und doch erlebe ich bei so vielen Menschen eine Sehnsucht nach Heimat, nach Stabilität, Verlässlichkeit – die Suche nach Zuhause und einer damit verbundenen Identität.

Kann es sein, dass das, was uns einst Heimat im Außen war, nun als Heimat im Inneren ergriffen werden will? Kann es sein, dass ich aufgrund all des Unsteten in diesen Zeiten wirkliche Heimat nur in mir finden kann? Heimat im Innern bedeutet dann: Seelische Geborgenheit und Frieden. Bei Kindern nennt man dies auch Urvertrauen. Dies ist Grundlage für die wichtigste Aufgabe der Kinder in den ersten Jahren ihres Lebens: sich in ihrem eigenen Körper zu beheimaten und ihn nach und nach zum Instrument ihrer eigenen Seele zu gestalten.

Urvertrauen als Vorraussetzung für die innere Heimat

Urvertrauen entsteht durch eine sichere Bindung der Kinder an die sie umgebenden Erwachsenen. Ein Gefühl des Zuhauseseins entsteht so zuerst in der Familie, mit den Bezugsmenschen. Trifft das Kind dann im Waldorfkindergarten und in der Waldorfschule auf Erwachsene, die es wahr- und ernstnehmen und auf eine Umgebung, die freilassend und zugleich verlässlich ist, können auch diese Einrichtung ein Zuhause werden und zugleich dazu beitragen, dass der heranwachsende Mensch in sich seine Heimat trägt.

In einem Beitrag in der Erziehungskunst wird von vier Sicherheiten gesprochen, die ein Kind braucht, um eine sichere Bindung, ein Urvertrauen und ein Gefühl des Beheimatet Seins aufbauen zu können:

  • Sicherheit im physischen Körper, indem die Eltern eine Umgebung schaffen, in der es sich beschützt fühlen darf, weil sie eine innere Ordnung hat, in der es sich frei bewegen und mit all seinen Sinnen auf Entdeckungsreise gehen kann;
  • Sicherheit im Rhythmus, der alle Lebensvorgänge unseres Organismus durchzieht und die Kinder durch gute Gewohnheiten, einen gestalteten Tageslauf, kleine Rituale, vertraute Lieder, Verse und Geschichten stark macht, emotional wie konstitutionell;
  • Sicherheit für die Seele durch Bindung und Beziehung, in dem wir uns Zeit nehmen, die Kinder wirklich zu sehen, ihnen zuzuhören, ihnen zu erzählen, mit ihnen zu lachen, sie als Teil unseres Lebens ganz lebenspraktisch und verlässlich lieb zu haben;
  • Sicherheit in der Beziehung zur Welt, indem wir den Kindern Orientierung geben, weil sie erleben, dass wir wissen, was wir tun und tun, was wir erkennen.

Wenn ich Julikas Zeilen im Newsletter lese, malt sich mir ein Bild von einem Ort der Geborgenheit, von Liebe und von Heimat. Oft vergessen wir, dass dies für die meisten Menschen auf dieser Welt keine Selbstverständlichkeit ist. Viele Menschen haben nicht das Glück, ihren Kindern diese Sicherheiten, diese Geborgenheit geben zu können. Sie sind gezwungen, den Ort, den sie Heimat nennen, zu verlassen, in Behausungen zu wohnen, in denen kaum Privatsphäre oder Raum für Gemütlichkeit vorhanden ist. Nicht selbst ihr Leben und das ihrer Liebsten zu bestimmen, sondern abhängig zu sein, von Entscheidungen, die Politiker treffen, die am Ende eines anstrengenden Tages in ihr Zuhause zurückkehren können.

Ganz treffend erscheint mir daher der Satz, der in einem Artikel von Heiko Maas stand: „Was Heimat bedeutet, wissen vielleicht jene am besten, die sie verloren haben oder auf der Suche nach ihr sind.

 

Wir vom Waldorfshop wollen dazu beitragen, dass die Welt ein Ort ist, der allen Menschen und allen Wesen dieser Erde, Heimat und Zuhause sein kann.

Dafür unterstützen wir die Freunde Waldorf, die sich vor allem mit ihrer Notfallpädagogik dafür einsetzen, dass psycho-traumatisierte Kinder und Jugendliche in Kriegs- und Katastrophengebieten „darin unterstützt werden, traumatisierende Erlebnisse zu verarbeiten und in die eigene Biografie zu integrieren. Durch die Anregung der Selbstheilungskräfte sollen eventuelle Traumafolgestörungen abgemildert oder ganz abgewendet werden. Die Notfallpädagogik bedient sich dabei Methoden auf Grundlage der Waldorfpädagogik und verwandten Therapieformen.“

Zuhause sein mit Waldorfshop

Wir unterstützen euch liebe Eltern und Großeltern darin, euren Kindern eine Umgebung zu schaffen, „in der es sich beschützt fühlen darf, weil sie eine innere Ordnung hat, in der es sich frei bewegen und mit all seinen Sinnen auf Entdeckungsreise gehen kann.

Für weitere Anregungen an Einrichtung, aber auch Lieder, Sprüchen, Basteleien und Gedanken,im Sinne der Waldorfpädagogik folgt uns gern auf Facebook, Instagram und Youtube. Für den Newsletter könnt ihr euch über diese Seite anmelden!

Wir wünschen euch und allen Menschen Zeit und Möglichkeit Beheimatung zu finden, sei es an einem Ort, bei einem geliebten Menschen, in einem Gedicht, einem Lied oder in eurem Innern.

Euer Team vom Waldorfshop

 

2 Gedanken zu „Zuhause sein“

    1. Vielen Dank für dieses Kompliment! Das freut uns so sehr, denn genau das ist unser Wunsch: eine Gemeinschaft zu ermöglichen, in der sich Menschen Zuhause fühlen können! Ganz lieben Gruß!

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